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Kindeswohl

„Kindeswohl“ - Kita-Euphorie und ihre Schattenseiten

Warum frühe Fremdbetreuung?

Nach dem Kinderförderungsgesetz besteht seit August 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr.

Seitdem fördert der Staat den Bau von Krippen und deren Nutzung.

2016 folgte mit „KitaPlus“ der nächste Schritt. Die Betreuungszeit wurde auf ein 24- Stunden-Angebot an 7 Tagen erweitert. Dieses Angebot wird von den verschiedenen Wirtschaftsverbänden, die wirtschaftliche Interessen vertreten, unterstützt.

Es werden Kleinkinder, meistens von einem Jahr bis ca. 2 1/2 Jahren, untergebracht. Manche Krippen nehmen aber auch schon Babys mit ein paar Wochen an.

Die Kitas werden von einem Träger unterhalten, der für die Betriebsführung der Einrichtung zuständig ist. Auch eine Kindereinrichtung funktioniert wie eine Firma: Gewinne steigern und Kosten einsparen (niedriger Personalschlüssel)!

Die Träger möchten möglichst viele Kinder aufnehmen. Das führt zu immer mehr Druck, dem die Kinder und das Personal ausgesetzt sind.

Für manche Kinder wird schon während der Schwangerschaft ein Kitaplatz reserviert, damit die Mütter festlegen, wie lange sie Elterngeld beziehen und wann sie auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Dies geschieht häufig auch auf Druck der Arbeitgeber und aus Angst der jungen Mütter, den Anschluss in ihrem Job zu verlieren.

Sie wollen oder müssen, wegen des Geldes oder der Karriere, arbeiten.

Der Trend ist auch, dass Eltern mehr Zeit für sich selbst und ihre eigenen Belange haben möchten. Da ist es modern und bequem, die Kinder in Gruppen Fremdbetreuen zu lassen. Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, dass die Familien die Einrichtungen nutzen sollen. Viele Eltern folgen einfach nur dem Mainstream, um keine Außenseiter zu sein und müssen sich heutzutage in der Gesellschaft rechtfertigen, wenn sie ihr Kind nicht mit einem Jahr in die Krippe geben.

Der Alltag in einer Kinderkrippe. Eine Erzieherin berichtet:

Ich bin Erzieherin und seit 1983 im Kita tätig. Mein Arbeitsplatz ist eine stadtnahe Kinderkrippe, in der ich seit sieben Jahren die „Kleinsten“ betreue.

Wenn Kleinkinder bei uns in der Krippe abgegeben werden, haben viele Kinder bisher nur ihre Eltern als Bezugspersonen erlebt und hatten noch selten Kontakt zu anderen Personen. Die meisten Babys, die zu uns kommen, können nicht laufen und nicht sprechen. Einige werden noch gestillt. Sie werden von ihrer Mutter und ihrem vertrauten Zuhause getrennt und müssen sich innerhalb kurzer Zeit an fremde Menschen und an eine fremde Umgebung gewöhnen!

Während der Eingewöhnungszeit bleibt zuerst ein Elternteil mit dem Kind in der Kita. Nach einigen Tagen erfolgt der erste Trennungsversuch für kurze Zeit. Wir, die Betreuerinnen, versuchen in dieser Übergangsphase, eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Die Zeitspanne, in der das Kind alleine bei uns ist, wird ständig verlängert, bis es die volle Zeit, die von den Eltern gebucht wurde, in der Kita bleibt.

Viele Mütter sind unter Zeitdruck, bei der Eingewöhnung ihrer Kinder, die oft in drei bis vier Wochen abgeschlossen sein muss. Sie treten zum ersten Geburtstag ihres Kindes die Arbeit wieder an und geben ihr Baby noch vor dem ersten Lebensjahr ab.

Manche Kinder sind von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr in der Einrichtung, was noch der humane Fall ist. Viele Kinder sind aber auch von 7:00 Uhr bis 16:30 Uhr in der Kita. Diejenigen, die bereits am Morgen um 7:00 Uhr kommen, müssen zusätzlich auch noch in eine „Auffanggruppe“. Sie werden von anderem Personal betreut, bis sie um 8:00 Uhr vom Krippenpersonal in ihre Gruppe gebracht werden. Die Kinder essen und schlafen in der Einrichtung.

Auch kranke Kinder mit Infektionskrankheiten und Fieber werden zu uns gebracht. Die gegenseitige Ansteckung ist dementsprechend hoch.

In einer Gruppe mit bis zu 14 Kindern unter drei Jahren, von denen die meisten zwischen eins und zwei Jahren sind, stehen oft nur zwei Personen zur Verfügung. Das ist für das Personal und auch für die Kinder ein Horror.

Eine der Betreuerinnen ist den ganzen Vormittag „Toilettenfrau“ und mit Wickeln beschäftigt. Die andere muss bis zu 14 Kleinkinder alleine betreuen!

Keinem Kind kann man gerecht werden! Hat man ein weinendes Kind auf den Armen, wollen natürlich alle auf den Arm und hängen einem schreiend an den Beinen.

Wird ein neues Kind eingewöhnt, werden alle anderen wieder „rückfällig“ und wollen alle nur noch getragen werden! Sie sind ja alle noch Babys, die noch die volle Aufmerksamkeit ihrer Mütter bräuchten! Das können wir in der Kita leider nicht auffangen, denn wir haben ja nur zwei Arme und einen Schoß.

Den Eltern wird suggeriert, dass sie die frühe Sozialisierung und Bildung nicht leisten können und ihren Kindern würde die Krippe guttun. Sie würden viel selbstständiger werden. Zuhause könnte man ihnen nicht so viel beibringen, wie unter Gleichaltrigen in der Kita. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: die Kinder sind angespannt, überfordert und verarmen emotional.

Wir können unseren Erziehungsauftrag, den Kindern Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Orientierung zu geben, leider nicht mehr erfüllen. Es gibt immer mehr auffällige Kinder, die hyperaktiv und ruhelos sind und nicht bei einer Sache bleiben können.

Sie reagieren aggressiv, schupsen, schlagen, beißen und kratzen die anderen Kinder. Andere sind traurig und ziehen sich ängstlich zurück.

Die Richtlinien der psychologischen Erziehungsmodelle lassen sich in der alltäglichen Praxis nicht umsetzen, denn die Realität sieht anders aus.

Wir müssen jeden Tag das Leid der Kinder mit ansehen und sollen nur funktionieren und schweigen. Dieser Zustand ist frustrierend und das wird immer unerträglicher!

Die Risiken der frühkindlichen Fremdbetreuung.

Nachfolgend ein Auszug aus einem Interview mit Frau Prof. Dr. Eva Rass im Rahmen des Kinder-Gesundheitskongress 2016.

YouTube Link: https://www.youtube.com/watch?v=4W_-Y9ePtxQ

Frau Prof. Dr. Eva Rass ist Honorarprofessorin der Hochschule Mannheim, Doktor der Erziehungswissenschaften, Grund-und Hauptschullehrerin und Analytische Kinder-und Jugendlichen-Psychotherapeutin.

Die Aussagen von Frau Prof. Dr. Eva Rass beziehen sich auf Entwicklungsstudien von Kleinkindern, die renomierte Wissenschaftler durchgeführt haben. Sie betont, es geht nicht um eine Meinung, sondern um aktuelle, wissenschaftlich belegte Studien!

Die ersten und wichtigsten Bezugspersonen für kleine Kinder sind die Eltern und die Familie. Unsere Kinder werden in einem unfertigen, frühen Entwicklungsstadium geboren. Das Baby ist auf die Mutter geprägt, kennt ihre Bewegungen, ihre Sprache und braucht um sich wohl zu fühlen die Körpernähe der Mutter. Dem Kind fehlen ganz viele Möglichkeiten für die Anpassung an dieses Leben. Die fehlenden Eigenmöglich- keiten müssen von den Eltern gegeben werden.

Das Gehirn ist noch sehr unreif, deshalb kann das Kind überhaupt nicht mit Stress umgehen. Es wird geboren, kennt noch nichts von der Außenwelt und alles ist neu.

All das erzeugt in ihm Erregung. Es schreit, weil es angespannt ist. Es braucht die Eltern, die es in seiner Not beruhigen. Die Regulation für Erregung entwickelt sich nicht alleine. Durch die Fürsorge der Eltern wird eine gesunde Stressregulation in die neuronale Struktur des Gehirns eingebaut und eine sichere Bindung entsteht.

Im Kind entwickelt sich allmählich eine hirnorganische Struktur, die prägend für das Leben ist. Was mit einem Kind in den ersten 3 Jahren passiert und was es mit den Fürsorgepersonen erlebt, wird im Körper, in den neuronalen Netzen, gespeichert.

Dies kann umgeformt aber nicht mehr gelöscht werden.

Das kleine Kindersystem muß durch ganz viele Entwicklungsphasen hindurch. Die frühe Bildung eines Kindes ist eine emotionale Bildung und ist ein Basispolster für die spätere kognitive Bildung. Ein Kleinkind, das erregt ist, geht normalerweise zu seiner Mutter. Es kuschelt sich an und will hochgenommen werden. Die Mutter tröstet es und alles ist wieder gut.

Ein Kind in der Kita, das alleine mit seiner Erregung fertig werden muss, bekommt vielleicht pädagogische Erziehung. Es fehlen aber die Liebe und Zuwendung der Mutter und das macht die Regulation schwierig. Manche Kinder ziehen sich dann eher zurück und andere werden Agressiv.

Stress in der Kita! Der Kortisolwert zeigt die Stressbelastung an.

Für Kleinkinder sind kontinuierliche Fürsorgepersonen (Eltern, Großeltern), ganz wichtig, was in der Kita eher nicht gegeben ist. Bei einer Trennung vom familiären System, in der Gruppenbetreuung und selbst bei Tagesmüttern, leiden Kinder unter chronischer Stressbelastung.

Dazu wurden in verschiedenen Studien der letzten 20 Jahre der Stresspegel von Kindern gemessen und extrem hohe Kortisolspiegel festgestellt. Bei Kindern von einem Jahr hat man die gleichen Werte gemessen, wie bei gestressten Managern. Normalerweise ist der Kortisolspiegel früh hoch und fällt bis zum Mittag steil ab. Er fällt dann bis zum Abend langsam ab, damit sich Ermüdung einstellt.

Bei den Krippenkindern hat man am Morgen niedrige Kortisolwerte gemessen. Durch die Trennung steigt der Kortisolspiegel am Tag an und fällt erst in der Nacht, wenn die Kinder zu Hause sind, ab. Morgens ist der Kortisolspiegel niedrig, die Kinder sind noch im inneren Tiefschlaf und kommen nicht in die Gänge.

In einer Berliner Krippe wurde eine Studie mit Kindern, die seit 5 Monaten die Krippe besuchten, durchgeführt. Diese Kinder hatten dieselben Stresswerte, wie sie bei depressiven Kleinkindern in russischen Waisenhäusern gemessen wurden.

In der größten Langzeitstudie, die in den USA durchgeführt wurde, hat man bei solchen Kindern noch mit 15 Jahren verdrehte Kortisolwerte gemessen.

Durch chronische Stressbelastung in den ersten Lebensjahren entsteht ein hohes Risiko für Verhaltens- und Gesundheitsstörungen sowie für psychische Erkrankungen. Das Immunsystem wird geschwächt und die Krankheitsanfälligkeit nimmt zu.

Je früher und je mehr Zeit Kinder in Einrichtungen verbringen, desto negativer wirkt sich das auf ihre Gesundheit und ihr Verhalten aus.

Bei der Trennung von der Familie und der Eingewöhnung zur Fremdbetreuung schreien Kinder oft wochenlang. Irgendwann geben sie auf, und dann herrscht die Meinung, die Kinder gehen gerne in die Einrichtung. Die Kinder müssen eine Anpassungsleistung bringen, die andere Entwicklungsschritte schwerer machen. Beim Kind laufen verschiedene Entwicklungsphasen ab: Ganz früh die Bindungsphase, später die Lernphase mit Laufen und Sprechen, die Trotzphase und viele andere. Entwicklungspsychologisch ist die Trotzphase ganz wichtig.

Wenn ein Kind z. B. enttäuscht ist und empört laut schreit, wird es von den Eltern getröstet und baut die Regulation ein. Kommt ein Kind mit zwei Jahren in die Kita und muss den Übergang in die außerfamiliäre Betreuung leisten, entwickelt sich die Regulation nicht.

Dann findet die Trotzphase vielleicht mit 5 Jahren oder im Schulalter statt und das Kind verweigert z. B. die Hausaufgaben. Es ist ganz schwierig, wenn Kinder die Entwicklungsphasen nicht durchleben, die vom Alter her angesagt sind.

Die Bindungsforschung hat bestätigt, dass die Sozialisierung von Kindern erst in etwa mit 3 Jahren beginnt. Erst wenn die Stressregulation und das Urvertrauen gut entwickelt sind und ein Kind sicher in sich selbst ist, wird es selbstständiger.

Kinder sind unsere Zukunft!

Wir alle sollten uns bewusst machen, dass Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuen, eine ganz wertvolle Entwicklungsarbeit leisten. Sie geben ihnen die Möglichkeit, ein gutes Stressverarbeitungspolster aufzubauen, und tragen für eine gute geistige, seelische und körperliche Entwicklung bei.

Auf dem Fundament der ersten Lebensjahre steht das ganze Leben!

Die wohlhabenden Länder sollten in der Lage sein, den Familien die Möglichkeit der familiären Betreuung in den ersten drei bis vier Lebensjahren zu bieten!

Die Kernaussage von Frau Dr. Rass ist:

Kleinkinder unter 3 Jahren, deren körperliche Systeme unreif sind und noch ausreifen müssen, sind am besten zu Hause, in der Familienbetreuung, aufgehoben!

Nachfolgend ein Auszug eines Artikels der Bundeszentrale für politische Bildung.

www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/259587/erfahrungen-mit-der- krippenerziehung

Annähernd ähnlich wie in der ehemaligen DDR hatte man in der Tschechoslowakei in den 1960er Jahren die Tageskrippenplätze ausgebaut. Dort wurden aber zugleich die Folgen frühkindlicher Kollektiverziehung erforscht. Als sich herausstellte, dass psychische Deprivation, sowie deren Übertragung von einer Generation auf die nächste als Folge von Frühtrennungen und kollektiver Früherziehung gehäuft auftraten, wurden diese Ergebnisse öffentlich und relativ ideologiefrei diskutiert und in der Sozialpolitik umgesetzt. Man reduzierte die Krippenplätze drastisch auf ein Angebot von circa 25 Prozent für Ein- bis Dreijährige und unterstützte stattdessen die Familien in der Frühzeit ihrer Kinder durch andere Maßnahmen.

Ein Herz für Kinder: Dieser Bericht soll eine Hilfe für Eltern und Kinder sein! Er soll Eltern bestärken und ihnen Mut machen, bei der Betreuung ihrer Kinder auf ihr Herz zu hören. Für Eltern und Kinder ist es wichtig, Zeit miteinander zu verbringen. Ein Geborgenheit,

Sichere, stabile Bindungen sind der beste Schutz und die Grundlage dafür, dass die Kinder Urvertrauen

zum Leben entwickeln und zu gesunden, selbstsicheren, starken, bindungsfähigen Menschen heranwachsen.

Bitte helfen Sie den Kindern, indem Sie diesen Bericht weitergeben. Herzlichen Dank! Die Verfasser: Eine Interessensgemeinschaft -

Eltern, Großeltern, Lehrer* innen, Erzieher* nnen und Therapeuten.

Ein kleines Kind braucht in den ersten Jahren seines Lebens vor allem die Liebe und Fürsorge seiner Eltern/Großeltern und seiner Familie !!